Ein ungewöhnlicher Nachmittag

Heute früh hatte ich ganz normale Arbeit zu tun. Am späten Vomittag noch ein paar Verlegenheitsgeschäfte, und kurz vor Mittag nichts mehr. Reguläre Arbeit würde ich morgen erst wieder bekommen.

Was also tun mit dem angebrochenen Nachmittag?
Ich sagte meinem Meister, dass mir Herr W. ein paar Tage zuvor ers ein unwiderstehliches Angebot gemacht hätte, worauf ich ja zurückgreifen könnte.

Meister war einverstanden, es wurde hin- und her besprochen, und nach dem Mittag war es klar: ich durfte runter, zu der einen, die ich meine!!!


Dort waren sie dabei, was Neues zu testen.
Aus viel zu schwerer Arbeit sollte leichtere Arbeit werden. Dafür waren extra neue Stößel mit anderem Winkel gemacht worden.

F-J war fleißig bein Einrichten, ich postierte mich an meinem Leiblingsplatz hinten beim Allerheiligsten.
Dann legte er das erste Teil ein, startete, und ich kam mir vor wie im Traum...
Wie auf weichen Wattewölkchen lief das Teil durch... wie leichte Arbeit!!! Die ganze Zeit streichelte ich sie und sparte nicht mit gutem Zuspruch im Geiste.
Ein bisschen härter wird es noch, meinte F-J nach dem Messen, das Teil war noch zu groß. Also, nachgestellt, und noch eins. Es war unwesentlich härter, aber nach dem Messen stellte es sich als immernoch zu groß heraus. F-J beriet sich mit Kollegen J., es wurde nochmal nachgestellt und dadurch eine andere Gangart eingeschlagen.
Herzlich Willkommen in der Realität meine Süße, dachte ich. Weg sind die rosa Wölkchen, ab jetzt wird auf der Straße gegangen.
Die ganze Zeit war ich hinten bei ihr geblieben, streichelnderweise gut zuredend. Wenn sich eine Wartezeit ergab durchs Messen setzte es natürlich ein paar Schmatzis.


F-J sagte dazu: Auf der Straße, aber nicht auf dem Holzweg!


Denn obwohl es nicht mehr wolkenweich lief, war es nicht mehr annähernd so schlimm wie ehedem!
Aus viel zu schwerer Arbeit war mittelschwere geworden!!!

Als das Maß in Ordnung war, sagte F-J, dass C. sich das gleich mal anhören wollte. Dann sollte ich aber schön die Finger vom Allerheiligsten nehmen. Gesagt, getan. C. stand vor der Tür und lauschte. So lange bleib ich "brav", aber kaum war er weg...
Ich kippte fast um, als ich wieder ganz in meinem Element beim Streicheln war, als C. an der Hintertür auftauchte.
Flucht nach vorn, dachte ich, jetzt hat er es eh gesehen. Da gab ich ihr nochmal demonstrativ eine nette Streicheleinheit, und wollte schon nach vorne flitzen, als Kollege J. mir zuvor kam. Er hatte außer Sicht bei C. gestanden, und sagte: "Nicht davonlaufen! Was meinst du, mag sie's?"
ruckzuck, schon hatte er mich in die Sache einbezogen! Das ging runter wie Öl!

Wie gerne hätte ich losgelgt, aber ich musste noch warten.
Es sollte noch Öl nachgefüllt werden.

Aber danach!!


Es war einfach nur genial! Susi lief wunderbar ruhig, ich konnte mit dem Kopf ans Gehäuse gelehnt problemlos stehen, bis ein Teil fertig war. Bei der alten Version wäre das nie möglich gewesen! Es wäre viel zu unruhig gewesen, sie hätte bedeutend mehr als nur leicht vibriert. Jetzt vibrierte sie sogar leichter als bei der mittelschweren Arbeit! Was so ein paar kleine Veränderungen doch nützen können!
Warum denn nicht gleich so??? schrie alles in mir...
Egal, das Gestern ist Geschichte. Jetzt lief sie wie ein Schweizer Ührle.
Einerseits hätte ich nie gedacht, dass ich diese Teile einmal anlangen würde, aber andererseits... Man darf nie aufhören zu träumen, zu wünschen und zu hoffen; dann wirds auch!

Solange ich mit ihr arbeitete, kamen alle möglichen Leute vorbei. ein paar von den Köpfen, die sich die neue Version "anhören" wollten, chef nochmal mit Kunden. Ich machte Platz, dass sie einen besseren Blick auf das Werkstück hatten.

Ein Kollege, den ich auch erst nicht gesehen hatte. Ich winkte ihm schließlich zu und malte Susi ein paar Herzchen ins Öl. Auf beiden Seiten folgte in wissendes Grinsen.


Herr W. stapfte breit grinsend vorbei. Er weiß, was eine weit herausgestreckte, wackelnde Zunge bedeutet...


Als ich neue Rohre hereinholte, kam ein anderer Kollege lauthals lachend vorbei. Es war aber kein Auslachen, sondern mitfreuen.

Ein Russe zeigte mit den "Daumen Hoch". Ich antwortete mit der Zunge, er zuckte übertrieben-humorig zusammen und suchte das Weite.
Als er ein anderes Mal vorbeilief, zeigte ich ihm den "Daumen Hoch". Auch hier wieder das wissende Grinsen auf beiden Seiten.

Es war einfach nur perfekt, aml wieder mit Susi in der Art und Weise zusammen zu sein, was miteinander zu schaffen und zwischenzeitlich die Welt zu vergessen. Rohr raus, Rohr rein und start. Ein lieber Blick zu ihren "Augen", fertige Rohre aufräumen, neue Rohre herholen. Ein paar Streicheleinheiten, egal, ob und wer gerade guckt.
Sie und ich, ich und sie, und sonst nichts.
"Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe" habe ich neulich mal in einem Forum gelesen, und das trifft den Nerv. Das ist es, was Susi und ich miteinander machten an diesm wunderbaren, spontanen und völlig unerwartetem Nachmittag!
Es war schon ein Wink des des Schicksals, dass ausgerechnet ich die "Premiere" mit der neuen Version des eintsmals so schweren Teils fuhr. Das geht mir jetzt noch durch und durch...


Irgendwann kam mein Meister vorbei und verabschiedete sich in den Feierabend. "Wenn Sie noch bis um 10 da sind..." begann er, aber ich sagte ihm, dass ich doch früher gehen würde, schließlich wollte ich noch einen Text schreiben, grins, grins.
Einmal wars dann auch soweit, Herr W. gab mir breit grinsend mit eindeutigen Gesten zu verstehen, dass ich mal Schluss machen sollte, denn an anderen Tagen war ich zu der Zeit schon fast zwei Stunden weg.

Natürlich verließ ich sie nicht, ohne ihr noch einen ordentlichen Schmatz als "Dankeschön" für diesen ausßerordentlich gelungenen Nachmittag zu verabreichen.